Jan Schmelzle ist Geschäftsführer des Deutschen Franchiseverbandes. (Foto: Franchiseverband)
Obwohl es in fast allen Bereichen Lockerungen gegeben hat, ist die Corona-Pandemie überall noch gegenwärtig. Auch oder gerade deswegen sind in dieser Krisenzeit Franchisekonzepte besonders gefragt. „Unsere Statistik für das Jahr 2021 zeigt, dass auch in der Pandemie eine Zunahme an Franchisenehmern zu verzeichnen ist. Die Zahl der in Deutschland aktiven Franchisepartner stieg im Vergleich zum Vorjahr um 2,2 Prozent auf 141.821“, berichtet Jan Schmelzle, Geschäftsführer Deutscher Franchiseverband. Generell sei die aktuelle Situation jedoch schwierig zu bewerten. „Was sich zeigt, ist, dass die Anfragen im verbandseigenen Systemfinder deutlich gestiegen sind und die Gastrobranche unverändert nachgefragt wird. Mit einer bereits bekannten Marke und einem funktionierenden Konzept zu starten, ist wohl der größte Vorteil von Franchise, nicht nur in der Gastronomie“, führt der Franchise-Experte weiter aus.
Dabei greifen Franchisenehmer von Anfang an auf bewährte, effiziente Abläufe zurück. Damit werden Fehler, insbesondere in der Startphase der Selbstständigkeit, deutlich minimiert. Dass die Selbstständigkeit unter einem bestehenden Markendach gerade in Krisenzeiten sinnvoll sei, hätten die Monate der Pandemie deutlich gezeigt, ergänzt Schmelzle. Ein Team im Rücken zu haben, nicht allein vor den Herausforderungen zu stehen und Anpassungen wie beispielsweise Delivery flächendeckend umzusetzen, das sei im Verbund leichter. Vor allem Konzepte, die rasch neue Services bieten, also umgehend auf Außer-Haus-Betrieb und Delivery umstellen konnten, hätten die aktuellen Krisenzeiten am besten gemeistert. „Besonders die, die diesen Trend schon vor der Pandemie erkannt haben, waren klar im Vorteil. Interessant ist hier, dass zwei der drei nominierten besten Franchisesysteme aus diesem Bereich kommen und als das Beste Franchisesystem des Jahres 2022 Dominos Pizza überzeugt hat“, erläutert Jan Schmelzle.
Fällt die Entscheidung für den Schritt in die Selbstständigkeit und soll ein eigener Gastronomiebetrieb eröffnet werden, kann der Existenzgründer aus der Vielzahl an Franchisesystemen das persönlich geeignete wählen. Dabei ist es wichtig, dass sich der Gründungsinteressierte mit dem favorisierten Konzept identifizieren kann und eine stimmige Partnerschaft zwischen Franchisenehmer und Franchisegeber vorhanden ist.
Welche finanziellen Hürden Existenzgründer überwinden müssen, hängt vom Franchisesystem ab. „Wer sich selbstständig machen möchte, benötigt Kapital. Im Franchising wie überall sonst auch“, betont Jan Schmelzle. Franchisenehmer haben in der Regel zwei Arten von Gebühren zu entrichten: Einerseits gibt es die einmalige Eintrittsgebühr, um das Recht zu erhalten, sich mit dem Geschäftskonzept des Franchiseunternehmens selbstständig zu machen. Andererseits fallen die sogenannten laufenden Gebühren an. „Diese werden üblicherweise nach einem im Franchisevertrag vereinbarten Prozentsatz von dem Nettoumsatz des Franchisenehmers abgezogen“, erläutert der Experte für Partnerschaftskonzepte. Sie tilgen die kontinuierlichen Kosten des Franchisegebers für die Bereitstellung von Know-how, Training, Markenschutz, Werbemitteln, Unternehmensberatung und Weiterentwicklung des Systems. Darüber hinaus berechnen einige Franchisegeber auch Werbeumlagen, Schmelzle ergänzt: „Die Gesamtinvestitionssumme für den Aufbau eines Betriebes als Franchisenehmer (u.a. für Ladenbau, Geschäftsausstattung, Warengrundstock, behördliche Gebühren) berechnet sich aus der Eintrittsgebühr des Franchisesystems sowie aus den Kosten für den Aufbau des Betriebes.“
Zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 sei es oftmals zu Verzögerungen von Finanzierungen gekommen, was meist auf die personell angespannte Situation auch in den Finanzierungsinstituten zurückzuführen gewesen wäre, berichtet der Geschäftsführer. Mit der Schaffung einer funktionierenden Infrastruktur sowie dank verlässlicher und Corona-konformer Arbeitsabläufe habe sich das laut den Mitgliedsunternehmen des Deutschen Franchiseverbandes weitestgehend wieder normalisiert, fügt Schmelzle hinzu.
Wenn es um die Bewilligung einer Finanzierung gehe, habe es der Franchisenehmer einer bekannten, erfolgreichen Marke weitaus leichter als jemand, dessen Franchisesystem beispielsweise noch keinen Partner besitze, weshalb auch keine Erfahrungswerte vorlägen, gibt der Franchise-Experte zu bedenken. „Letztlich aber muss das Konzept stimmen und das muss der Businessplan deutlich widerspiegeln. Auch die zertifizierte Vollmitgliedschaft eines Franchisesystems im Deutschen Franchiseverband ist ein wichtiger Faktor für die Finanzierung von Franchisepartnern“, betont Jan Schmelzle.
Im Allgemeinen bauten Existenzgründer zur Finanzierung auf eine Mischung aus Eigenmitteln und verschiedenen Formen von Fremdkapital. Dabei werde eine Eigenmittel-Quote von um die zwanzig Prozent an der Gesamtinvestition standardmäßig vorausgesetzt. Der Gründer weise damit neben seiner Bonität vor allem nach, dass er bereit ist, selbst ins Risiko zu gehen. Praxisnahe Checklisten, die beim Deutschen Franchiseverband angefordert werden können, helfen dabei, herauszufinden, welche Eigenschaften und welches Vorwissen die Interessenten mitbringen sollten. Dazu gehören auch Fragen wie: Sollen Vertrieb, Kundenbeziehung und Mitarbeiterführung im Zentrum der selbstständigen Tätigkeit stehen? Kann der eigene Betrieb als Teil einer Marke an der Weiterentwicklung des Konzeptes aktiv mitarbeiten? Ist der Existenzgründer bereit, im Rahmen eines Netzwerkes zu agieren und den einheitlichen Unternehmensauftritt loyal zu vertreten? Verfügt der Gründer über die kaufmännischen oder fachlichen Qualifikationen für die Selbstständigkeit und ist er bereit, sich auch in der Freizeit weiterzubilden? Kann er Mitarbeiter motivieren und führen, und wie ist es um die eigene Teamfähigkeit bestellt?
Im Zusammenwirken beider Franchisepartner liegt der große Vorteil des Franchisings. So profitiert der Franchisegeber von der Initiative, der Arbeitskraft, dem Kapital, dem Standort und den Gebührenzahlungen des Franchisenehmers. Er stellt dafür Wissen, Erfahrung, das Geschäftskonzept sowie seine Organisations- und Erfolgsinstrumente zur Verfügung. Der Franchisenehmer wiederum profitiert von wichtigen immateriellen Werten wie Vorteilen im Marketing, Know-how, in der Produktivität, Kompetenz und Organisation. Die beiden Partner bilden eine Lern- und Innovationsgemeinschaft, in der eine offene und beständige Kommunikation miteinander zur Weiterentwicklung eines Systems führt. Somit wird eine Art „kollektive Intelligenz“ geschaffen. (me)