Hygiene

von Martina Emmerich

AUS EXISTENZ 2022

Foto:
Dr. Weigert
Dr. Becher


Bei der Verwendung von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln sollten unbedingt die Herstellerangaben hinsichtlich der Anwendung beachtet werden.

Hinweise zu Geschirr-Hygiene

Mareike Lohmann, Diplom-Ingenieurin Ernährungs- und Hygienetechnik bei Dr. ­Weigert, empfiehlt zum Thema hygienischer Umgang mit Geschirr zwei Websites:
https://www.akggs.de/handbuch
https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/­Neuartiges_Coronavirus/Hygiene.html


Das HACCP-Konzept in sechs Schritten

Schritt 1: Risiken analysieren

Mögliche Gefahren der Lebensmittel von der Erzeugung über die Verarbeitung und Verteilung bis zum Verzehr müssen analysiert, die Wahrscheinlichkeit des Risikovorkommens eingeschätzt und Vorbeugemaßnahmen zu ihrer Vermeidung festgehalten werden.

Schritt 2: Kritische Punkte identifizieren

Die Stellen sowie Behandlungs- und Verfahrensstufen, an denen die Risiken drohen oder sich die Wahrscheinlichkeit ihres Vorkommens verringern lässt (CCPs = kritische Kontrollpunkte), sind zu bestimmen. Dies schließt jedes Stadium der Lebensmittelherstellung und -bearbeitung samt den Rohmaterialien, dem Wareneingang und der Lagerung ein.

Schritt 3: Grenzwerte fixieren

Es müssen Grenzwerte für die kritischen CCPs festgelegt und Kriterien beschrieben werden, anhand derer sich eine Risikogefährdung erkennen lässt.

Schritt 4: Überwachungsmaßnahmen festlegen

Durch planmäßige Prüfungen und Beobachtungen wird ein Überwachungssystem der kritischen Kontrollpunkte eingerichtet. Zudem wird festgelegt, wer wie häufig die Kontrolle durchführen wird und wie diese dokumentiert werden soll.

Schritt 5: Korrekturmaßnahmen bei Grenzwertüberschreitungen formulieren

Klar und leicht verständlich müssen in schriftlicher Form Anweisungen verfügbar sein, beispielsweise welcher Mitarbeiter für welchen Zuständigkeitsbereich verantwortlich ist und welche Dinge in welcher Reihenfolge zu erledigen sind, sollte ein CCP überschritten sein.

Schritt 6: Regelmäßige Überprüfungsmaßnahmen notieren

Das Bestätigungsverfahren (z.B. durch externe Beratungsinstitutionen, Lebensmittelsachverständige oder Labors) mit ergänzenden Prüfungen oder Maßnahmen stellt sicher, dass das HACCP-System einwandfrei funktioniert.

Umsetzung des HACCP-Konzeptes

Nichts zu beanstanden

Gastronomiebetriebe unterliegen aufgrund der gewerblichen Zubereitung und des Angebotes von Speisen besonderen Hygieneregelungen. Zur Sicherheit der Gäste muss der sachgemäße Umgang mit Lebensmitteln sorgfältig dokumentiert werden. Eine Missachtung der Hygiene­vorschriften kann negative Folgen für den Gastronomen haben, die bis zur Schließung des Betriebes reichen.

„Gastronomie ist nicht gleich Gastronomie. Jede Branche und jeder Gastronom hat verschiedene Herausforderungen zu bewältigen“, erklärt Mareike Lohmann, Expertin für Ernährungs- und Hygienetechnik bei Dr. Weigert. Das Herzstück eines jeden Gastronomiebetriebes ist jedoch immer die Küche, die nicht nur kulinarisches Drehkreuz ist, sondern auch die meisten Hygienefallen birgt: Feuchtigkeit, Wärme und organische Stoffe bieten ideale Lebensbedingungen für Bakterien und Keime. Existenzgründer und ihr Team müssen diese Gefahren erkennen, dafür sensibilisiert werden und kompetent für Hygiene und Sicherheit sorgen.

Damit dies gelingt, ist die jährliche Teilnahme an Hygieneschulungen vorgeschrieben, die von verschiedenen Verbänden, Institutionen und Herstellern angeboten werden – beispielsweise vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga Bundesverband), von der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN), von der Industrie- und Handelskammer (IHK) oder den Hygiene-Spezialisten wie Dr. Becher oder Dr. Weigert. Doch die Kenntnis von den Hygienevorschriften und die Motivation der Mitarbeiter sind nur zwei wesentliche Teile des fachgerechten Handelns. Das Personal muss darüber hinaus den hygienischen Umgang mit Lebens- und Reinigungsmitteln auch im stressigen Arbeitsalltag leben. Letztlich aber ist der Gastronom für die Einhaltung aller Rechtsvorschriften, auch durch seine Mitarbeiter, verantwortlich.

Richtlinien und DIN-Normen

Seit 2006 gilt für alle Lebensmittelunternehmen der EU-Mitgliedstaaten das EU-Hygienepaket, womit ein hoher Schutz für Leben und Gesundheit der Menschen erreicht werden soll. Die Eigenverantwortung der Gastronomen für die Sicherheit sowie die gesundheitliche Unbedenklichkeit eines Lebensmittels wurde damit erhöht. In den Verordnungen (EG) EG Nr. 625/2017 (ersetzt Nr. 852/2004 und Nr. 853/2004) Nr. 178/2002 sowie in der Richtlinie 2004/41/EG, der Lebensmittel-Hygieneverordnung, der Tierischen Lebensmittel-Hygieneverordnung und im Infektionsschutzgesetz (hier insbesondere § 42 u. 43) finden sich die wesentlichen rechtlichen Vorgaben für den Bereich Lebensmittelsicherheit und -hygiene.
Weiter konkretisiert werden diese zudem durch Leitlinien und diverse DIN-Normen. Die Basis für eine qualitätsgerechte und gesundheitlich unbedenkliche Herstellung von Lebensmitteln ist laut Mareike Lohmann eine ordnungsgemäße Betriebsreinigung. Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen unterstützen den Gastronomen dabei, die Lebensmittel mikrobiologisch abzusichern. Dabei sollten Sauberkeit und Ordnung für jeden Gastronomen selbstverständlich sein, denn sie gehören zu den allgemeinen Sorgfaltspflichten eines Unternehmers. „Besonders im lebensmittelverarbeitenden Bereich ist unter Sauberkeit nicht nur die optische Sauberkeit, sondern immer auch die mikrobiologische Sauberkeit zu verstehen“, weiß die Expertin aus dem Hause Dr. Weigert.

Hygienefallen in der Küche

In Gastronomiebetrieben muss zwischen Bau-, Prozess- und Personalhygiene unterschieden werden. Hygienefallen wie Kreuzkontaminationen (Allergene), Küchenutensilien (etwa bei Tüchern und Schwämmen), Geschirrspülmaschinen (Rotschimmelgefahr), Personalhygiene (beispielsweise mangelnde Händehygiene) gibt es im gastronomischen Alltag fast im ganzen Küchenbereich. „Grundsätzlich kann man mit einer guten Basishygiene und einem funktionierenden HACCP-Konzept viele Gefahren auf ein Minimum reduzieren“, weiß Kathy Buchartowski, Brand Management/Marketing und Spezialistin für Hygienemanagement bei Dr. Becher. Gute und regelmäßige Personalschulungen seien besonders wichtig, betont Buchartowski und ergänzt: „,Hygienefallen‘ können überall sein und wenn es ,nur‘ die Privatkleidung ist, die nicht ordnungsgemäß gelagert wurde, oder die defekte Dichtung, hinter der sich Schimmel versteckt.“
So gehören beispielsweise zu den Grundvoraussetzungen eines Gastronomiebetriebes intakte und leicht zu reinigende Räume, Arbeitsflächen und Geräte, ordnungsgemäß durchgeführte Reinigungs- und Desinfektionsarbeiten sowie Maßnahmen zur Schädlingsbekämpfung. Um Verschmutzungen und bakterielle Verunreinigungen der Lebensmittel zu vermeiden, sind Mitarbeiterhygiene, ein verantwortungsbewusstes Handeln und saubere Arbeitskleidung in der Küche unabdingbar.
Da die Hände in der Küche ein wichtiges Werkzeug und überall im Einsatz sind, wird auf deren Sauberkeit großen Wert gelegt: Vor dem Arbeitsbeginn, dem Bearbeiten empfindlicher Produkte, dem Verkauf oder der Abgabe der Produkte sowie nach Lager- und Transport-Arbeiten, nach der Abfallentsorgung, Pausen und natürlich nach jeder Toilettenbenutzung müssen Hände gewaschen werden. So können die Mikro­organismen möglichst klein gehalten werden. Fingernägel sind sauber und kurz zu halten, damit sich darunter weder Dreck noch Bakterien absetzen können. Nagellack ist verboten, da dieser abblättern und in das Essen geraten kann. Wer den direkten Kontakt zwischen Haut und Essen vermeiden möchte, für den empfiehlt es sich immer, Einmalhandschuhe griffbereit zu haben.

Veränderungen seit Corona

Seit der Corona-Pandemie wird zudem dazu geraten, sauberes Geschirr und Besteck beim Verräumen nur mit sauberen und desinfizierten Händen anzufassen. Kathy Buchartowski empfiehlt zudem, einen entsprechenden Pandemieplan SARS-CoV-2 zu erstellen. Dort sollten Maßnahmen festgelegt werden, um Verdachtsfälle abzuklären und um bei bestätigten Infektionen Kontaktpersonen ermitteln sowie informieren zu können. Weitere Tipps der Spezialistin für Hygienemanagement lauten: „Mögliche Abtrennungen auch in der Küche schaffen durch Acrylglas, zeitlich versetztes Arbeiten, Abstand halten, zusätzlich zum ,Standard-HACCP‘ am Arbeitsplatz, vermehrtes Stoßlüften, häufigeres Reinigen und Desinfizieren von Kontaktflächen wie Handläufen und Türklinken.“ Beim Einsatz von Desinfektionsmittel gegen Coronaviren solle darauf geachtet werden, dass die Wirksamkeit mindestens „begrenzt viruzid“ betrage, ergänzt Mareike Lohmann.

Küchenmitarbeiter sind dazu angehalten, ihre Haare während der Arbeitszeit mit Mützen oder Netzen zu bedecken und saubere Arbeitskleidung zu tragen, um Verschmutzungen sowie bakterielle Verunreinigungen der Lebensmittel zu vermeiden. Wenn die Mitarbeiter für das Reinigen ihrer Berufsbekleidung selbst zuständig sind, muss der Gastronom sicherstellen, dass dies gründlich und vorschriftsgemäß ausgeführt wird. Denn bei einer Waschtemperatur von 30 °C werden Keime noch nicht komplett vernichtet. Die saubere Arbeitskleidung darf auch erst am Arbeitsplatz getragen werden.

Gesundheit steht an erster Stelle. Im Zweifelsfall sollten daher Mitarbeiter, die sich krank fühlen, auch bei einer engen Personaldecke erst einmal zum Arzt gehen und sich zu Hause richtig auskurieren, damit Kollegen und Gäste nicht angesteckt werden. Des Weiteren muss Folgendes beachtet werden: Beim Husten oder Niesen abwenden, ein benutztes Papiertaschentuch gleich entsorgen und sich die Hände waschen. Leidet ein Teammitglied unter Gelbsucht, Durchfall, Erbrechen, Fieber, Halsentzündungen oder Hautkrankheiten sowie unter eitrigen Entzündungen der Ohren, Augen oder Nase, muss dies unverzüglich dem Küchenleiter gemeldet werden. Je nach Krankheitsbild wird die Person für einige Zeit freigestellt oder mit anderen Aufgaben betraut. Verletzungen an Händen und Armen müssen fachgerecht versorgt und mit wasserundurchlässigem Verbandmaterial bedeckt werden.

Lebensmittel richtig lagern und zubereiten

Lebensmittel enthalten erwünschte Mikroorganismen wie beispielsweise Milchsäurebakterien oder Kulturschimmel, aber auch unerwünschte Keime oder Krankheitserreger (zum Beispiel Salmonellen). Aus diesem Grund ist ein hygienischer Umgang mit ihnen unabdingbar. Nur so kann die potenzielle Vermehrung der Krankheitserreger vermieden werden. Bereits beim Einkauf muss sichergestellt sein, dass sich die Ware in einem einwandfreien Zustand befindet und diese ohne Unterbrechung der Kühlkette in das Lager des Gastronomiebetriebes gelangt. Bei einer Belieferung sollten die Waren bei Erhalt sorgfältig kontrolliert werden. Dabei spielen neben Verfallsdatum, Sensorik, Temperatur und Verpackung der Ware auch das Lieferfahrzeug und der Fahrer eine wichtige Rolle. Ein möglicher Schädlingsbefall des Lieferguts muss ebenfalls ausgeschlossen werden.

Viele Lieferanten übermitteln dem Gastronomen als Serviceleistung einen Temperaturausdruck, so dass er einen Beleg über die durchgängige Kühlkette seiner Bestellung erhält. Die Lebensmittel sind im hauseigenen Lager nach Warengruppen getrennt und ordnungsgemäß in sauberen, geschlossenen Vorratsbehältern aufzubewahren. Geöffnete Packungen oder verschiedene Lebensmittel (besonders zubereitete und rohe), die in eine Kühlzelle gestellt werden, gefährden sowohl die Produktsicherheit als auch die allgemeine Sauberkeit des Aufbewahrungsortes. Damit kein Hygienerisiko in Form von Schmutz, Schimmel und Keimen entsteht, muss eine Kühlzelle regelmäßig bis auf die letzte Bodenritze gründlich gereinigt werden.

Sensible Lebensmittel

Mit großer Sorgfalt müssen leicht verderbliche Lebensmittel wie Fisch und Geflügel verarbeitet werden. Tiefgefrorenes ist vollständig aufzutauen, wobei das dabei entstehende Tauwasser in das  Schmutzwasserausgussbecken zu schütten ist. Die damit in Berührung gekommenen Flächen und Gegenstände sind gründlich zu reinigen und gegebenenfalls zu desinfizieren. Frischfisch oder -geflügel muss außerdem rasch verarbeitet werden, da die Keimvermehrung durch die Wärme in der Küche ansteigt.

Das Einhalten der vorgeschriebenen Temperaturen bei der Zubereitung und Ausgabe von Speisen ist ein weiteres wichtiges Kriterium. Gekochte Speisen müssen bei einer Mindesttemperatur von 65 °C heiß gehalten werden. Vorgekochte Gerichte sind in flachen Behältern schnellstmöglich (maximal in drei Stunden) auf eine Temperatur von unter 10 °C herunterzukühlen, danach sind sie über einen kurzen Zeitraum lagerfähig. Die Kühlung verlangsamt den Prozess der Mikroorganismenvermehrung, stoppt ihn jedoch nicht völlig. Vor dem Verzehr sind die Speisen wieder auf mindestens 70 °C zu erhitzen, da erst dann die Mikroorganismen weitestgehend abgetötet werden.

Systematische Küchenreinigung

Alle in der Küche anfallenden Reinigungsarbeiten sollten in einem Plan, der von diversen Herstellern und Institutionen als Vorlage angeboten wird, festgehalten werden. Ein Hygienebeauftragter überwacht dessen Einhaltung und hat darüber hinaus Reinigungsumfang, -intervalle sowie die Putzmittel und -geräte im Blick. Oberflächen, die angefasst werden (zum Beispiel Tür- oder Kühlschrankgriffe), Utensilien für die Reinigung (wie Putzlappen oder Bürsten) und Geräte, die direkten Kontakt mit Lebensmitteln haben, sind gründlich zu reinigen und zu desinfizieren – Equipment wie Schneidbretter sogar nach einzelnen Arbeitsvorgängen.

Es ist ratsam, Reinigungs- und Desinfektionsmittel einer Serie zu verwenden und sie nach Gebrauchsanweisung zu dosieren, da diese Produkte für die Gewerbeküche aufeinander abgestimmt sind. Arbeitsgeräte sollten bei hohen Temperaturen gewaschen oder sorgfältig in der Spülmaschine mit dem geeigneten Programm gereinigt werden. Spätestens zum Arbeitsende muss dann die Komplettreinigung der Küche erfolgen.

Lebensmittelabfälle sind in dafür vorgesehenen gekühlten, verschließbaren Behältern oder Speisenabfall­entsorgungsanlagen außerhalb der Produktionsbereiche zu entsorgen. Um Schädlingsbefall oder Risiken durch Krankheitsübertragungen vorzubeugen, empfehlen sich gekühlte Müllbehälter. Darüber hinaus ist darauf zu achten, dass Küchen- und Lagerräume vor Schmutzansammlungen, Schimmel, Ungeziefer und Nagern geschützt werden.

Kontrollsystem HACCP

Seit 2006 ist die HACCP-Dokumentation (englische Kurzform für „Hazard Analysis and Critical Control Points“ = „Gefahrenanalyse und kritische Kontrollpunkte“) verpflichtend vorgeschrieben. Diese umfasst die Risikoanalyse des Betriebes sowie die stets aktuelle Dokumentation des Risikomanagements. Beides muss jederzeit einem Lebensmittelkontrolleur vorgelegt werden können. Es empfiehlt sich daher, die Checklisten, Prüfpläne und -protokolle, Analyseberichte sowie Arbeitsanweisungen in schriftlicher Form zu verfassen und in einem Ordner zu sammeln. Die Dokumentation sollte zudem den Nachweis der durchgeführten Personalschulungen (DIN 10514) mit jeweiligem Datum und Namen enthalten.

Kathy Buchartowski rät: „Wer sein HACCP-­Konzept lebt und sein Personal miteinbezieht, erkennt selbst frühzeitig, wo Gefahren lauern, und muss nicht erst bei einer Überprüfung drauf hingewiesen werden.“ Neben der Einhaltung der Hygienerichtlinien und der innerbetrieblichen Kontrolle hat der Existenzgründer zudem dafür Sorge zu tragen, dass er sich regelmäßig über das Gesundheitsamt, die IHK, den BGN oder im Internet über Änderungen bezüglich der Hygiene in Gewerbeküchen informiert und dies mit seinem Personal teilt.